HR Campus: News & Stories


Fachkräftemangel

Die Gleichung im Fachkräftemangel

Fachkräftemangel

Mein Sohn ist im ersten Kindergarten. Ein «Gspähnli» von ihm erzählt immer wieder wilde Geschichten. Eine davon: Er, Julius, sei gemütlich im Meer schwimmen gegangen. Plötzlich sei ein Hai aufgetaucht und habe ihn angegriffen. Daraufhin habe Julius dem Hai ins Gesicht gefurzt; der Hai sei erschrocken und habe das Weite gesucht.

VON PHILIPPE DUTKIEWICZ

Diese Geschichte von Julius, wenn auch verrückt und unglaublich, hat mich an die aktuelle Situation im HR erinnert. Jahrelang war es eine Selbstverständlichkeit, dass man wichtige Fachkräfte relativ einfach auf dem Arbeitsmarkt findet. Mal dauerte es länger, mal weniger lang. Das Risiko war sehr gering, dass Prozessunterbrüche wegen einer Personalsuche entstehen. Die allermeisten Unternehmen waren im «Flow», wenn es um die Erledigung ihrer Kernaufgaben ging. Das hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren radikal geändert. Einzelne Unternehmen bekunden Mühe, die Löhne pünktlich zu zahlen, weil es ihnen an HR-Fachkräften mangelt. Andere müssen Betten reduzieren, weil das Pflegepersonal fehlt. Wieder andere lassen die Terrasse bei schönem Wetter geschlossen, weil das Restaurant kein Personal findet.

Laut x28, dem führenden Arbeitsmark-Datenprovider der Schweiz, präsentiert sich die Gesamtsituation aktuell wie folgt (Stand. 17. Februar 2023):

Aktuelles Ranking der Top 25 Jobs mit den meisten offenen Stellen

 

Der Hai in dieser Geschichte ist der Arbeitskräftemangel. Niemand weiss ganz genau, woher dieser gekommen ist. Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten dafür: Entweder kommen keine neuen Mitarbeitenden oder es gehen zu viele. Oder beides. Bei einem Projekt-Staffing habe ich eine unserer besten Beraterinnen, die frisch aus dem Mutterschaftsurlaub zurückkam, vorgeschlagen. Ein Manager auf Kundenseite wollte aber nicht, dass diese Beraterin am Projekt arbeitet, weil sie nun einen anderen Fokus im Leben hätte. Solange solche Manager das Sagen haben, gilt wohl die Formel, Gehen > Kommen.

Auf der Kommen-Seite müssen sich Unternehmen fragen, ob sie genug Sichtbar und attraktiv für neue Mitarbeitende sind. Setzen wir auf die richtigen Plattformen? Wie ist unser Ruf im Markt? Wie bekannt sind wir als Arbeitgeber? Wie gut sind unsere Stellenanzeigen im Vergleich zu anderen? Andere (externe) Faktoren sind dagegen eher schwierig zu beeinflussen. Gibt es genügend Nachwuchs für das Profil? Ist der Arbeitsinhalt spannend genug?

Auf der Gehen-Seite ist die Kultur im Unternehmen der wohl wichtigste Faktor Haben wir eine Führungskultur, welche Mitarbeitende begeistert? Kriegen unsere Mitarbeitenden von der Teamleitung die Wertschätzung, die sie verdienen? Gibt es ein gemeinsames «Warum» im Unternehmen oder Team? Es gibt aber durchaus auch Faktoren, die einfacher zu beeinflussen sind: Haben wir einen sauberen, effizienten Onboarding-Prozess? Sammeln wir kontinuierlich Feedback (Experience Management)? Bieten wir den Mitarbeitenden spannende Entwicklungsmöglichkeiten? Erkennen wir Änderungswünsche schnell genug? Suchen wir zuerst unter den Internen, die bereits zur Kultur passen, bevor wir Stellen extern ausschreiben?

Zugegeben, das sind mehr Fragen als Antworten. Einfache Antworten auf diese sind allerdings schwierig zu finden – schon gar keine Pauschalen oder Gasförmigen. Langfristig wird sich der Fachkräftemangel in vielen Branchen nicht entspannen. Allein schon wegen dem demografischen Wandel. Jedes HR tut gut daran, sich die richtigen Fragen zu stellen und eine Strategie auszuarbeiten. Es ist auch nicht verkehrt, sich eine Bewältigungsstrategie zu überlegen, so wie Julius. 

HR STRATEGIES, HR CAMPUS

Philippe Dutkiewicz

Publiziert am: 21. Februar 2023

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