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Diversity & Inclusion im HR

Was macht einen authentischen Umgang mit Vielfalt aus?

Diversity & Inclusion im HR

Diversity ist mehr als bunte Stockfotos oder ein weiterer Umsatzfaktor. Vielmehr zeigt der Umgang mit Vielfalt, wie es um die Authentizität und das Verantwortungsbewusstsein eines Unternehmens steht. Aber wie kann ein differenzierter und unverkrampfter Umgang aussehen und welche Implikationen ergeben sich für das HR?

Von Esmir Davorovic

Was versteht man unter Diversity und Inclusion?

Diversity, Inclusion, Gendersternchen und Political Correctness sind Kampfbegriffe für die einen und Trigger für die anderen. Das Thema und der richtige Umgang mit Vielfalt sind fester Bestandteil aktueller gesellschaftlicher Debatten. Daher war es nur eine Frage der Zeit, bis sich Unternehmen ebenfalls mit diesem Phänomen auseinandersetzen müssen.

Dass wir uns überhaupt so oft mit Diversity und Inclusion auseinandersetzen müssen, macht das grundlegende Problem bereits sichtbar: Viele Bevölkerungsgruppen sind oder fühlen sich zumindest benachteiligt und diskriminiert.¹ Prominent in Erscheinung tritt meistens die Geschlechterungleichheit, was angesichts der Anzahl betroffenen Personen durchaus nachvollziehbar ist. Es ist allerdings wichtig zu erkennen, dass auch Faktoren wie die ethnische Zugehörigkeit, das Alter oder eine Behinderung auschlaggebend sein können. Es handelt sich dabei um Zugehörigkeiten, die nicht oder nur schwer veränderbar sind.²

Die Vielschichtigkeit des Problems und die unterschiedlichen Begriffe, die in der Debatte teilweise synonym oder ohne scharfe Trennung verwendet werden, erschweren ein gemeinsames Verständnis. Grundsätzlich beschreiben Diversity und Inclusion das Verständnis sowie den bewussten Umgang mit Vielfalt und haben Chancengleichheit, das heisst die gleichen Zutrittschancen und der gleiche Zugang zu Ressourcen, sowie Gleichstellung zum Ziel.³

Folgen von Diskriminierung und Chancen der Vielfalt

Diskriminierung wirkt sich auf alle Lebensbereiche negativ aus. Betroffene leiden psychisch und physisch unter den Auswirkungen und werden in ihrer Lebensführung beeinträchtigt.⁴ Dabei sollte man bedenken, dass gewisse Faktoren, aufgrund derer Menschen benachteiligt werden, uns alle treffen und immer Teil des eigenen Lebens sind.

Aber Gleichstellung ist mehr, als nur die negativen Folgen von Diskriminierung zu verhindern. Worum es uns im Kern gehen sollte, ist die Befähigung eines jeden Einzelnen, das eigene Potenzial entfalten zu können. Dazu müssen etablierte Machtstrukturen gelockert und Barrieren, ob in den Köpfen oder in der Praxis, abgebaut werden. Nur wenn Angehörige benachteiligter Gruppen nicht in Rollenerwartungen gedrängt werden und die gleichen Chancen haben, gedeiht eine nachhaltige Vielfalt, von der langfristig auch Unternehmen profitieren können.

So erzielen vielfältig zusammengesetzte Teams, bei denen Kreativität und Innovation gefordert wird, bessere Leistungen als homogene Teams.⁵ Unternehmen können mit Diversity verhindern, dass komplexe Sachverhalte immer durch dieselbe Sichtweise verengt betrachtet werden und profitieren vom Perspektivenwechsel. Zudem müssen Unternehmen angesichts einer alternden Bevölkerung und Fachkräftemangels den fairen Zugang zu Arbeit sicherstellen, um auch in Zukunft attraktive Arbeitgebende für alle Talente zu sein.

Das HR als Wegbereiter für Diversity & Inclusion

Was bedeutet das nun für das HR? Zunächst muss man sich bewusstwerden, dass das HR unzählige Berührungspunkte zu den Themen Diskriminierung und Diversity hat und viele Hebel in Bewegung setzen kann, um nachhaltige Veränderung zu bewirken. Je nach Branche, Unternehmensgrösse und vor allem Zielgruppe der Massnahmen unterscheidet sich der Handlungsbedarf natürlich. Aber eine generelle Prozessgerechtigkeit ist unabdinglich, um Chancengleichheit zu etablieren. Denn entlang des ganzen Employee Life Cycles und auch davor zeigen sich Ausprägungen unbewusster und struktureller Diskriminierung.

Oft zeigen sich die Tücken unserer festgefahrenen Muster bereits, bevor wir mit der diskriminierten Person persönlich in Kontakt kommen. Werden beispielsweise Stellenausschreibungen im generischen Maskulinum verfasst, bewerben sich weniger Frauen auf die offene Stelle, als wenn beide Geschlechter genannt werden.⁶ Der Mythos, Frauen seien beim generischen Maskulinum «mitgemeint», hält einer kritischen Betrachtung nicht statt.⁷ Wir müssen erkennen, wann eine sprachliche Form diskriminierendes Verhalten begünstigt. Denn Sprache bildet nicht nur die Realität ab, sondern konstruiert sie auch. Ein Lösungsansatz für dieses Problem, man ahnt es vielleicht, besteht in der Verwendung einer inklusiven Sprachform. Dadurch lässt sich die Stereotypisierung abmindern.⁸ Auch kleine Entscheidungen können in unseren Köpfen Grosses bewirken.

Neben der Gestaltung der HR-Prozesse müssen wir selbstkritisch unsere eigenen Denkprozesse betrachten. Denn schlussendlich steht hinter jeder Entscheidung ein Mensch. Untersuchungen legen nahe, dass die Lebensläufe von Frauen bei gleichbleibender Qualifikation im Schnitt schlechter bewertet werden als diejenigen von Männern.⁹ Auch Personen mit Migrationshintergrund sind stark von dieser Diskriminierung betroffen. Trotz gleicher Qualifikation werden sie seltener zu Gesprächen eingeladen als Personen ohne Migrationshintergrund.¹⁰ Das liegt in den wenigsten Fällen an einer bewusst abwertenden Einstellung, sondern lässt sich auf implizite Assoziationen zurückführen, vor denen kein Mensch gefeilt ist.¹¹ Aus diesem Grund ist es wichtig, diese Unconscious Biases mittels Trainings und Workshops bewusst zu machen und Wahrnehmungsverzerrungen zu reduzieren.

Eine Frage der Unternehmenskultur

Selbstverständlich stehen dem HR unzählige weitere Massnahmen zur Verfügung, um Diskriminierung in all ihren Facetten zu minimieren. Doch der grösste Hebel für Veränderungen ist und bleibt die Unternehmenskultur. Sie bildet das Fundament, auf dem ein authentischer Umgang mit Vielfalt gedeihen kann und ohne das alle Massnahmen nicht über Symptombekämpfung hinauswachsen können. Wir alle müssen einen respektvollen und inklusiven Umgang mit unterschiedlichen Bedürfnissen und Hintergründen vorleben und in unsere Denkweise integrieren.

Das sollte nicht mit erhobenem Zeigefinger geschehen oder in Grabenkämpfe über die korrekte Art des Genderns ausarten. Wir können stattdessen zunächst bei uns anfangen und uns bewusst machen, wo wir im Alltag mit Diskriminierung konfrontiert werden oder sie erkennen. Wollen wir wirklich nur auf prestigeträchtige Abschlüsse von Eliteuniversitäten achten, obwohl wir wissen, dass es um die Bildungschancen gewisser sozialer Schichten schlechter steht?¹² Sind wir uns der Barrieren für körperlich behinderte Menschen in unserem Unternehmen bewusst? Anerkennen wir strukturell verankerte Privilegien, die mit gewissen Zugehörigkeiten einhergehen? Solche Fragen müssen wir uns stellen, ehe Diversity und Inclusion eine Selbstverständlichkeit werden. Neue Wege zu gehen erfordert Mut. Doch manchmal sind es genau diese mutigen Entscheidungen von Einzelpersonen und Unternehmen, welche gesellschaftliche Probleme aktiv angehen.

Gerade wegen aller Unterschiede darf das «Wir» einer Organisation nicht aus den Augen verloren werden. Stattdessen sollten wir die Chance nutzen, ein gerechteres und inklusiveres «Wir» zu etablieren, in dem alle ihr Potenzial entfalten und gemeinsam etwas bewegen können.

Autor

HR Strategies, HR Campus

Esmir Davorovic

Esmir Davorovic liegt das Thema Diversity am Herzen. Als HR Strategies Consultant zeigt er Unternehmen auf, welche Hebel sie in Bewegung setzen können, um Chancengleichheit zu fördern.

Quellen

¹ https://www.ekr.admin.ch/pdf/Medienmitteilung_Auswertungsbericht_2019_De.pdf

² https://www.charta-der-vielfalt.de/

³ Sander et al. (2012). Diversity Management als Veränderungsprozess.
https://ccdi-unisg.ch/wp-content/uploads/2015/10/diversity-management-als-ver%C3%A4nderungsprozess.pdf

⁴ Schmitt et al. (2014). The consequences of perceived discrimination for psychological well-being: A meta-analytic review. Psychological Bulletin, 140(4), 921–948. https://doi.org/10.1037/a0035754

⁵ Schneider, J. & Eckl, V. (2016). The difference makes a difference: Team diversity and innovative capacity. https://www.oecd.org/sti/015%20-%20SKY_Schneider_Eckl_201607025.pdf

⁶ Gaucher et al. (2011). Evidence that gendered wording in job advertisements exists and sustains gender inequality. Journal of Personality and Social Psychology 101, 109-128. https://ideas.wharton.upenn.edu/wp-content/uploads/2018/07/Gaucher-Friesen-Kay-2011.pdf

⁷ Nübling, D. (2018). Und ob das Genus mit dem Sexus. Genus verweist nicht nur auf Geschlecht, sondern auch auf die Geschlechterordnung. https://ids-pub.bsz-bw.de/frontdoor/deliver/index/docId/7874/file/Nuebling_Und_ob_das_Genus_mit_dem_Sexus_2018.pdf

⁸ Sczesny et al. (2016). Can gender-fair language reduce gender stereotyping and discrimination? Front. Psychol. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fpsyg.2016.00025/full

⁹ Kübler et al. (2017). Be a Man or Become a Nurse: Comparing Gender Discrimination by Employers across a Wide Variety of Professions. https://www.wzb.eu/de/pressemitteilung/frauen-werden-bei-der-ausbildungssuche-diskriminiert

¹⁰ https://ethz.ch/de/news-und-veranstaltungen/eth-news/news/2021/01/recruitment-diskriminierung.html

¹¹ https://www.spektrum.de/news/unbewusste-einstellungen-halten-wir-maenner-doch-fuer-klueger/1749368

¹² https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/schule-und-chancengleichheit-warum-arbeiterkinder-schlechtere-bildungschancen-haben

Publiziert am: 25. Mai 2021

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