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HR meets Silicon Valley

Zwischen Hightech und Tradition: Wo braucht es den Mut neues zu wagen und wo braucht es die Gelassenheit "schweizerisch" zu bleiben?

HR meets Silicon Valley

Pilgerströme auf dem Weg nach Silicon Valley. Das Mekka der Innovation, der Disruption. Hier tummeln sich Marktveränderer und Spielverderber en masse. Europäische Manager wollen wissen wie es geht und suchen nach Inspiration, in der Hoffnung, ein bisschen Silicon Valley-DNA mit nach Hause nehmen zu können.

von Claudia Broghammer / Das Buch für die Schwiezer Personalpraxis SEP 2017

Die Erfolgs-DNA, ein Zaubermix aus Culture, Organization, Leadership, Talent und Skills – auch COLTS genannt – als Garant für Innovation? Jedes Land und jedes Unternehmen haben eine Kultur, eine Organisation, eine Interpretation von Leadership, ein Stück Talent und Fähigkeiten. Aber nicht jede Kultur und nicht jede Organisation ist innovationsförderlich.

Was also haben die erfolgreichen Unternehmen und Startups und die Geschäft smodelle made in Silicon Valley gemeinsam? Zum einen verbindet sie eine Kultur des Ausprobierens, Testens und Prototypings. Schnell an den Markt und eine Idee testen, anstatt in Perfektionismus jahrelang Konzepte erarbeiten, heisst die Devise. Und zum anderen haben sie es alle geschafft , die Spielregeln zu verändern. Echte Innovation verlangt Disruption. Keine «wir haben es schon immer so gemacht» Kultur. Echte Innovation verändert die Gewohnheiten der breiten Masse. Airbnb, Uber und Facebook haben es vorgemacht.

Zwischen Innovation und Tradition

Ganz klar. Schon unser Landschaft sbild unterscheidet uns deutlich vom Silicon Valley,
die Berge sind Teil der Schweizerischen DNA, geprägt von Tradition, Landwirtschaft und
Kantonsdenken.

Der Schweizer Bauer als Symbol einer eher konservativen Bauernkultur. Doch die uns am Herzen liegenden Werte wie Genauigkeit, Planbarkeit und Stabilität sind leider Innovations-
und Kreativitätsbremsen.  Dennoch oder gerade deshalb ist die Schweiz seit jeher off en für Neues, so wurde zum Beispiel vor gut 25 Jahren das Internet im Genfer CERN erfunden. Auch das Überwinden von physischen und virtuellen Bergen ist ein positiver Teil unserer Kultur.

Die Schweizerische IT Branche ist sogar als extrem off en und innovativ bekannt. Als vor 30 Jahren die ersten standardisierten ERP Lösungen auf den Markt kamen, war die Schweiz gemeinsam mit Deutschland Vorreiter, fast schon Vorbild. Schweizer Entscheidungsträger sind off en und risikofreudig. Und heute, drei Jahrzehnte später, erleben wir das Gleiche: Die Schweiz gehört zu den innovativsten Ländern, nicht nur was den Einsatz von modernen Cloud-Produkten angeht. So führt die Schweiz beispielsweise den Global Innovation Index bereits zum sechsten Mal in Folge an.

Ist es also möglich, zugleich altmodisch und zukunftsorientiert zu sein? Ja. Denn die Schweiz ist es gewohnt flexibel zu sein. Und sie hat mit vier Sprachen, unzähligen Dialekten und dem kunterbunten «Kantönli-Geist» eine multikulturelle Grundlage, die einen exzellenten Nährboden für Innovation darstellt.

Zukunft Cloud

Laut dem Marktforscher Gartner wird es in vier Jahren kaum mehr Unternehmen mit einer «No-Cloud»-Strategie in der IT geben. 2 Cloud wird bald keine Entscheidung mehr sein, sondern ein Muss.

Was Unternehmen teilweise noch zurückhaltend gegenüber Cloud Lösungen sein lässt, sind Ängste in Sachen Datenschutz und Sicherheit. Dass die Sicherheitslücken im eigenen Unternehmen meist deutlich grösser sind als in der Cloud, tut nichts zur Sache, handelt es sich doch um eine kulturelle Veränderung, die nicht mit dem Holzhammer erzwungen werden kann.

Auch hier zeigt sich die Schweiz mit Pioniergeist und steht im Cloud Computing Export Markt an siebter Stelle gleich hinter Grossnationen wie Japan und Deutschland.

Inhouse betriebene Softwarelösungen sind eine aussterbende Spezies, auch wenn es sicher noch Jahrzehnte dauern wird, bis das letzte Relikt dieser Art abgelöst wird. Software Inhouse zu betreiben ist heute im Vergleich zur Cloud-Lösung zu teuer, zu schwerfällig, zu unflexibel, zu wenig skalierbar, sprich nicht rentabel. Langsame Innovationszyklen, hohe Kosten und Aufwände für den Unterhalt der Systeme und aussterbendes Know-how für den Betrieb kommen noch dazu.

Manche Firmen denken, sie seien so speziell, dass eine Cloud-Lösung ihren Bedürfnissen nie gerecht werden könnte. Weit gefehlt! Wer denkt, dass heute alle Kunden mit einer uniformierten Einheitslösung beglückt werden, liegt falsch. Hochwertige Cloud-Lösungen stehen in der individuellen Anpassbarkeit ihrer on-premise Vorfahren um nichts nach.

Die Magie des Sharing

Aber ganz ehrlich: Cloud ist nur eine Technologie. Ein Sharing von Software und Rechnerkapazität mit vielen anderen Anwendern. Aber mit dem Umstieg auf Cloud alleine ist es nicht getan. Es geht darum, die Spielregeln zu verändern und die Technologie kann dazu natürlich ein Vehikel sein.

So ist Tesla beispielsweise ein exzellentes Beispiel für Innovation und Mut, Neues auszuprobieren. Aber echte Disruption hat Tesla bis jetzt nicht geschafft, denn die Spielregeln «Auto» sind nach wie vor klassisch. Man entscheidet sich für einen Wagen, man kauft oder least ihn, man fährt ihn, verkauft ihn irgendwann und am Ende des Lebenszyklus wird er verschrottet.

Wir sind immer noch in der Welt in der das Auto ein Statussymbol darstellt, ein Impuls des «Will Habens» den Kaufanstoss gibt und das geliebte Stück in den meisten Fällen mehr als 20 Stunden pro Tag ungenützt herumsteht. Mit der innovativen Technologie aber könnte in Zukunft eine echte Veränderung der Spielregeln und somit eine Bewegung «der Massen» stattfinden. Der Charme liegt in der Kombination des Mobility-Gedankens in Kombination mit der Technologie des selbstfahrenden Autos. Man benötigt «on demand» einen Mobilitätsservice, via App bestellt man den Wagen vor das Haus, lässt sich von A nach B bringen. Der Wagen fährt zu einer Sammelstelle oder zu seinem Eigentümer zurück oder wird direkt von einem anderen «User» übernommen. Bezahlung direkt via App. In so einem Szenario wäre der Cloud Gedanke des Sharings perfekt umgesetzt.

Generell ist Sharing das Zauberwort von heute. Man stellt sein Wissen anderen zur Verfügung (Internet, Intranet, Blogs, Foren). Was man zu viel hat oder gerade nicht benötigt, wird anderen Personen auf Zeit «ausgeliehen», wie bei Airbnb. Oder der Einzelne besitzt «die Sache» gar nicht mehr, sondern bezieht sie on-demand. Aus der Cloud. So gesehen hat der Tesla (noch!) nicht den Gipfel der Innovation erreicht.

Wie und was kann HR also vom Silicon Valley lernen? Den innovativen Geist des Silicon Valleys zum HR-Paradigma zu machen, ist eine Chance zum Wunscharbeitgeber zu werden und wettbewerbsfähig zu bleiben.

State of the Art-Technologie ist ein Muss für moderne HR-Organisationen, eine Visitenkarte des Unternehmens. Das fängt an bei der Art und Weise, wie Mitarbeitende Arbeitszeiten oder Spesen erfassen oder welchen Zugang sie zu Ausbildungsangeboten haben.

Modernste Cloud-Technologie alleine bringt aber noch keine HR-Innovation. Zutaten für Innovation sind Kultur, Mind-Set, Mut zum Ausprobieren, neue Wege der Zusammenarbeit einzuschlagen. Das Zauberwort Sharing – was bedeutet das für HR nebst dem simplen Bezug von Software aus der Cloud? Ein Vorreiter dieses Konzepts war sicher das physische Arbeitsplatz-Sharing. Aus heutiger Sicht ein alter Hut, der aber vor 20 Jahren massiv die Spielregeln des klassischen Arbeitsplatzes verändert hat. Ein Mitarbeiter kommt ins Büro, hat keinen eigenen Schreibtisch mehr, sondern bezieht einen aus «der Cloud». Keine Familienfotos neben dem PC, keine Jucca-Palme in der Ecke. Ein Verzicht auf Besitz. Teilen um Kosten zu sparen, ist also gar nicht so neu.

Ein etwas moderneres Beispiel aus der Lohnabrechnung. Warum sollte ein Unternehmen heute noch einen eigenen Lohnbuchhalter haben? Ein Shared Service Center kann diese Aufgabe übernehmen und das Unternehmen profitiert auf vielen Ebenen. Kein personelles Risiko, feste Service Level Agreements, klar definierte Leistung sowie garantierte Gesetzeskonformität sind nur einige Beispiele von Vorteilen des Sharings von Salärexpertise.

Ein weiteres Schlüsselthema für HR ist das Wissensmanagement. Speziell durch den Generationenwechsel befinden sich viele Firmen in der Gefahr, massiv an Wissen und Know-how zu verlieren, wenn die Baby-Boomer sich definitiv in den Ruhestand verabschieden. Wissensmanagement ist ein Paradebeispiel für das Paradigma des «Sharing». Wissen teilen und verfügbar machen und zugleich im Unternehmen behalten, wenn einzelne Wissensträger es verlassen, ist eine Challenge, die es mit geeigneter Technologie und auch einem Kulturwandel zu adressieren gilt.

Das Silicon Valley macht uns vor, wie man Regeln bricht und neue Spielregeln definiert. Auch hier einige Denkanstösse für HR. Brauchen wir heute noch fest zugeordnete Vorgesetzte oder würde ein Pool von Coaches nicht genügen? Mitarbeiter von heute sind autonom und selbstorganisiert. Informationen, die sie für ihre Arbeit benötigen, bekommen sie elektronisch. Sie brauchen keinen Vorgesetzten, der ihnen Information gibt oder auch mal vorenthält. Der klassische Vorgesetzte gehört in die analoge Welt und hat in dieser Form fast ausgedient.

Spinnen wir diesen Faden weiter, dann sollten wir auch das traditionelle Mitarbeitergespräch hinterfragen. Wenn wir den konventionellen Vorgesetzten nicht mehr benötigen, dann hat auch dieses Relikt ausgedient. Wir können es ersetzen durch situatives Coaching z.B. durch Mentoren oder Projektleiter, sogenannte Vorgesetzte «auf Zeit». Die Agentur Elbdudler ging sogar noch einen Schritt weiter und lässt die Mitarbeitenden ihren eigenen Lohn bestimmen. Hier werden Spielregeln massiv geändert. Man könnte fast von Spielverderbern sprechen. Was nicht ist, darf nicht sein? Ein Beispiel für echte Innovation.

Wer sagt, dass Sitzungen im Sitzen und an Tischen durchgeführt werden muss? Klar, das geht ja schon aus dem Wort Sitzung hervor. Doch vielleicht sollten wir den Begriff ganz aus unserem Vokabular streichen. In manchen Firmen werden Besprechungen im Stehen abgehalten, so gibt es zum Beispiel im Kontext agiler Projektmethoden das «Daily standup-Meeting». Aber darf man bei einer Besprechung gleichzeitig auch Sport treiben? Das macht keinen Sinn, denken Sie? Google bricht hier die Spielregeln und nutzt das Conference Bike, das bis zu sieben Personen erlaubt gleichzeitig zu radeln und zu meeten. Der Vorteil? Statt auf unseren geistigen Positionen im wahrsten Sinne des Wortes sitzen zu bleiben, kommt Bewegung in unser Denken. Und zugleich ist es ein echter körperlicher Fitmacher. Yes, we can!

HR Abteilungen sind nicht nur die Hüter des Personals. HR kann Innovation vorantreiben. HR spielt eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, sich als Unternehmen neu zu erfinden. HR kann und darf sich selbst neu erfinden.

Lösungen aus der Cloud

Ein Grossteil der heute am Markt verfügbaren HR Systeme sind cloudbasiert; dies gilt insbesondere für den heiss umstrittenen Markt der Anbieter von Talent Management-Lösungen.
Der Charme der cloudbasierten Lösungen liegt auf der Hand. HR profitiert von kurzen

Einführungszeiten, fix kalkulierbaren und transparenten Kosten und kann sich frei strampeln von der oft zermürbenden Abhängigkeit der internen IT. Die Endanwender profitieren von modernsten User-Interfaces, mobilen Anwendungen und nahezu selbsterklärenden Prozessen.

Aber Achtung! Cloud ist nicht gleich Cloud und eine cloudbasierte Lösung ist kein Synonym für Innovation. Betrachtet man die Architektur heutiger HR-Lösungen, so dominieren zwei Varianten den Markt. Auf der einen Seite die sogenannten hybriden Ansätze bei denen Unternehmen cloubasiertes Talent Management an bestehende Inhouse HR Systeme andocken. Und auf der anderen Seite die Full-cloud-basierten Modelle bei denen das komplette HR, inklusive Lohnabrechnung in die Cloud zügeln. Technologisch betrachtet ist die zweite Variante sicher der Gewinner in Sachen Innovation, aber ist das wirklich relevant?

Den einzelnen Mitarbeiter interessiert es nicht, auf welcher IT-Grundlage seine Lohnabrechnung durchgeführt wird, solange sie korrekt und verständlich ist. Auch für den HR-Lohnbuchhalter ist es unerheblich, ob «sein» Werkzeug in der Cloud oder im Keller des Unternehmens steht, es muss einfach funktionieren.
Die Frage sollte nicht «Cloud oder nicht Cloud?» lauten, sondern welche HR-Services braucht das Unternehmen und welche davon sollen selbst erbracht oder von extern bezogen werden. Natürlich wird ein Anbieter von HR-Services mit grosser Wahrscheinlichkeit auf Cloud basierte Soft ware setzen, um seine eigenen Betriebskosten klein zu halten, aber das ist nur die Technologie und nicht die Essenz der angebotenen Services.

Ein weiterer Aspekt betrifft   die Funktionalität der zugrundeliegenden Software und die Prozesse, die darin abgebildet werden können. Ist die Software an einer konservativen Welt aus Vorgesetzten, Mitarbeitenden und eindeutig definierten Prozessen ausgerichtet? Das Mitarbeitergespräch ist hierfür ein wunderschönes Beispiel. Benötigt die Software einen klar definierten Vorgesetzten, um einen Mitarbeitergesprächsprozess abzubilden? Was aber wenn Vorgesetzte zu dynamischen Coaches werden, wenn feste Gesprächstermine zu spontanen Check-points werden?

Immer wieder unterliegen HR-Abteilungen den Sachzwängen von Softwarelösungen und echte Innovation wird im Keim erstickt. Natürlich soll das kein Plädoyer gegen IT-basierte HR-Lösungen sein. Aber ein Aufruf dazu, die Technologie als das zu betrachten was sie ist: ein Enabler. Nicht mehr. Und nicht weniger.

Eine Ode an Die Schweiz

Wir leben in einem Land mit sehr starken Werten und einer gesunden demokratischen Politik. Dies bringt der Schweiz eine gewisse Ruhe und Stabilität.

Zugleich profitieren wir von einer kunterbunten mehrsprachigen Kultur, die uns zeigt, dass nicht nur ein Weg der richtige ist und die uns vor Stereotypen bewahrt.

Eine Kultur der Offenheit in der Berge nicht als unüberwindbare Hindernisse, sondern als Schutz und zugleich als Herausforderung gesehen werden. Diese bedachte, überlegte Kultur ist eine Stärke der Schweiz und muss unbedingt auch im Hightech-Zeitalter bewahrt werden.

Wir pflegen eine Familienkultur, in der Werte wie Ehrlichkeit und gesunder Menschenverstand noch gelebt werden. Der Schweiz gelingt die Gratwanderung zwischen Digitalisierung und der Bewahrung altbewährter Kultur. So schützen wir zum Beispiel unsere Bauernkultur mit hohen Subventionen, aber bleiben in der Entwicklung trotzdem nicht stehen.

Wir sind in der höchst komfortablen Situation, uns den Spirit von Silicon Valley erlauben zu können. Es braucht Mut, um Neues zu probieren. Es braucht auch Mut, konservativ und «schweizerisch» zu bleiben. Die Schweiz hat diesen Mut.

Publiziert am: 4. Dezember 2017

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